Einer der beeindruckendsten Tempel von Griechenland ist jener, den die alten Griechen im 5. vorchristlichen Jahrhundert Apollo Epicurius zur Ehre errichteten. Apollon (in der römischen Mythologie "Apollo"), oft auch "Phoibos" genannt, ist Sohn des Zeus und der Leto sowie Zwillingsbruder der Artemis. Im "Lexikon der griechischen und römischen Mythologie" von Herbert Hunger (Verlag Brüder Hollinek) heißt es:
"Wenige Tage nach seiner Geburt auf der Insel Delos tötet Apollon den Python-Drachen von Delphi und übernimmt das Orakel. Die pythischen Spiele in Delphi wurden in Erinnerung an dieses mythische Ereignis gefeiert. Mit Herakles kämpft Apollon um den Dreifuß des Orakels. Kassandra verleiht er die Gabe der Weissagung. Die Waffe Apollons ist der Bogen. Er beteiligt sich an dem Kampf der olympischen Götter gegen die Giganten. Er sendet Pest und Tod ins Lager der Griechen vor Troia. Mit seinen Pfeilen tötet er den Tityos und die Söhne der Niobe. Zur Strafe für die Tötung der Kyklopen muss er ein Jahr lang bei Admetos als Hirte dienen. Apollons Hand lenkt den Pfeil des Paris auf Achilleus.
Als Städtebauer erscheint er gemeinsam mit Poseidon in der Gründungssage von Troia. Von König Laomedon um den Lohn für den Mauerbau betrogen, sendet er eine Pest über die Stadt. Apollon gilt ferner als Vater der berühmtesten Sänger Orpheus und Linos. Von Hermes erhält er die Leier als Ersatz für die ihm gestohlene Rinderherde. Den Marsyas, der sich erkühnt, mit der von Athene weggeworfenen Flöte zu einem musikalischen Wettstreit mit Apollon anzutreten, besiegt der Gott und zieht ihm die Haut ab. Die schöne Nymphe Daphne, die Apollon liebt, ergreift vor ihm die Flucht. Als der Gott sie verfolgt, wird Daphne auf ihr Gebet in einen Lorbeerbaum verwandelt.
Apollon, der einst vielfach als der echteste Olympier und Inbegriff des Hellenentums erschien, wird heute überwiegend als Einwanderer aus Kleinasien aufgefasst. In der Ilias kämpft der Gott auf seiten der Troer gegen die Griechen. Auffallend ist die verhältnismäßig geringe Zahl von Apollon-Festen im Mutterlande Hellas bei der so großen Verbreitung seines Kultes. Auch die mit der Ekstase verknüpfte Mantik und Apollons Mutter Leto, die anscheinend nur in Kleinasien selbständige Kulte besaß, deuten auf Kleinasien als Heimat des Gottes. Schließlich wurden auch Beziehungen Apollons zu den Hethitern und über diese weiter zu den Babyloniern beobachtet.
Die Hellenen wurden schon in mykenischer Zeit mit Apollon bekannt. Sein Kult mit den vielen Reinigungen und Sühnungen, mit dem Orakelwesen und der Inspiration kam wahrscheinlich einem religiösen Bedürfnis entgegen. Jedenfalls breitete er sich von einigen wenigen Zentren (Klaros und Didyma in Kleinasien, Delphi, Delos) über ganz Hellas aus. Unter den homerischen Göttern hat Apollon wohl die meiste geheimnisvoll göttliche Macht und ist vom Dichter am wenigsten vermenschlicht.
Eine der urtümlichsten Funktionen Apollons war vielleicht die apotropäische des Torwächters. Als Steinpfeiler, der vor dem Hause auf der Straße stand, schützte der Gott das Haus und seine Bewohner (Apollon Agyieus). Apollon lieh seine übelabwehrenden Kräfte auch der bedrohten Landwirtschaft: Als Apollon Smintheus vernichtete er die schädlichen Feldmäuse, als Apollon Lykeios schützte er die Herden vor den Wölfen (so jedenfalls die griechische Interpretation des Beinamens), als Parnopios vertilgte er die Heuschrecken usw.
Apollon war ferner Heil- und Sühnegott. Die Pfeile seines Bogens brachten Krankheit und Tod. Der Gott übte aber auch die komplementäre Funktion des Arztes aus. An ihn richtete man die Paiane, Preislieder (später Siegeslieder), die ursprünglich um Befreiung von Krankheiten baten. Diese Heilfunktion übernahm später Apollons Sohn Asklepios, der Gott der Ärzte. Eng verbunden mit dem Wesen des Heilgottes waren die Weissagungen und die Orakelstätten, die Apollon in großer Zahl besaß. Durch den Mund der von ihm inspirierten Seherin (in Delphi die Pythia) sprach der Gott zu den Gläubigen. Die Epiphanie des Gottes erfolgte nur an bestimmten Tagen und wurde durch eigene Anrufungen erfleht. Oft musste Apollon von einem alten Orakel gewaltsam Besitz ergreifen, wie z.B. in Delphi, was sich noch im Mythos widerspiegelt. Auch sonst verdrängte Apollon vielfach lokale Gottheiten und trat in Kult und Festesbrauch an ihre Stelle. Als ein Beispiel für viele seien Hyakinthos und die Hyakinthien in Sparta genannt. Die Verehrung Apollons und der Besuch seiner Orakelstätten (vor allem Delphi und Delos) durch Festgesandtschaften aus ganz Hellas bildete ein einigendes Band für die so stark zersplitterten griechischen Stadtstaaten. Unter seinen Schutz stellte sich die athenische Demokratie ebenso wie die spartanische Aristokratie.
Seit dem 6. Jh. v.Chr. ist die Verehrung Apollons als Helios (Sonne) nachweisbar. Die Griechen sahen in Apollon jedoch nicht nur den Lichtgott, sondern den Garanten der sittlichen Ordnung und des edlen Maßes überhaupt. So wurde er von den Hellenen als Gott der Künste, insbesondere der Musik, und als Führer der Musen (Musagetes) verehrt. Schon in der Ilias schlägt er zum Göttermahl die Leier, und die Musen singen unter seiner Führung. Die Verwandtschaft der Leier mit dem Bogen, beides Instrumente des Gottes, wurde schon in der Antike empfunden. Von Apollon, dem "Ferntreffenden", wie er schon in der Ilias heißt, stammt nicht nur der zielsichere Pfeil, sondern auch das "treffende" Lied. Platon war von der ethischen Wirkung der apollinischen Musik überzeugt.
In Rom war die Übernahme des griechischen Gottes Apollon bereits zu Beginn des 5. Jh. v.Chr. Tatsache (496 Befragung der sibyllinischen Bücher und Gelobung eines Tempels). Der Apollon-Kult in Kyme (Cumae) war mit dem Orakel der (cumanischen) Sibylle verbunden.
Im Rahmen des sittlich-religiösen Reformwerkes des Kaisers Augustus nahm der staatliche Kult des Gottes Apollon, der zugleich von der kaiserlichen Familie besonders verehrt wurde und im Jahre 28 v.Chr. einen neuen prächtigen Tempel auf dem Palatin erhielt, eine hervorragende Stellung ein."
Die Säulen des im Arkadischen Gebirge gelegenen Apollon-Tempels gelten als kunstgeschichtliches Juwel: Sie stellen den ältesten Säulen-Fund mit korinthischem Kapital dar. Der Baustil vereint archaischen mit dorischem Stil. 1986 erklärte die UNESCO den Apollon-Tempel von Bassae zum Weltkulturerbe.
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