Das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz befindet sich In der Gemeinde Sulz im Weinviertel (Niederösterreich). Seine Erfolgsgeschichte begann mit der Sammel- und Bauleidenschaft eines Weinviertler Bauernbuben. Pepi Geissler, geboren in Niedersulz, interessierte sich von Jugend an für das sakrale und bäuerliche Kulturerbe seiner Heimat. So sammelte er religiöse Objekte, aber auch landwirtschaftliche Geräte, Werkzeug und vieles mehr – und schließlich auch ganze Häuser. Im November 1979 legte der damalige Landeshauptmann Andreas Maurer den Grundstein zum Weinviertler Museumsdorf Niedersulz auf einem Grundstück entlang des Sulzbaches. Dort baute Professor Geissler mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfer:innen schrittweise ein idealtypisches Weinviertler Dorf nach. Gut von Wien aus per Schnellbahn (Floridsdorf) und Bus (Sulz im Wienerwald) zu erreichen.
Foto © Andreas Hollinek
Kontinuierlich wuchs das Museumsdorf im Laufe der Jahre Hof um Hof, bis eine typische Dorfzeile entlang des Sulzbaches entstand. Nach und nach folgten Handwerkerhäuser, Stadeln, vier Kapellen, eine Mühle, ein Dorfwirtshaus, eine Volksschule und eine Kellergasse. Parallel zum Wiederaufbau der Gebäude entstand eine große volkskundliche Sammlung. Möbel, Hausrat, Werkzeug, Wägen, Textilien und vieles mehr werden bewahrt. Thematisiert werden dabei insbesondere der dörfliche Alltag und die Arbeitswelt. Das Museumsdorf erstreckt sich auf insgesamt rund 22 Hektar, wovon knapp fünf Hektar auf das Kerndorf fallen. Auf der restlichen Fläche befinden sich der Eingangsbereich samt Parkplatzinfrastruktur, ein 900 Quadratmeter großes Museumsdepot, ein Bauhof mit Metall- und Holzwerkstätten sowie eine Anzuchtgärtnerei und Grün- und Waldflächen.
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Die rund 80 Objekte des Museumsdorfs wurden aus verschiedenen Teilen des Weinviertels hierher übertragen und unter Verwendung von originalen und authentischen Baumaterialien im Museumsdorf wiedererrichtet. Die Mehrzahl der Häuser ist eingerichtet und zeigt die gesellschaftlichen Strukturen eines Weinviertler Dorfs vor rund hundert und mehr Jahren.
Das Zentrum bildet die Dorfzeile mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, Werkstätten von Handwerkern und der Dorfplatz mit dem herrschaftlichen Jägerhaus (als Museumsgasthaus in Betrieb), dem Poysdorfer Wirtshaus mit Greißlerei aus Jedenspeigen, einem Pfarrhof, Wirtschaftsgebäuden sowie einer Marienkapelle. Weitere dörfliche Elemente wie die Hofmühle aus Walterskirchen, eine Hintausgasse und die Kellergasse mit Presshäusern ergänzen die Dorfstruktur.
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Am Schmalzberg, auf dessen Scheitel das 2012 eröffnete Eingangsgebäude steht, bilden die Volksschule aus Gaiselberg mit angeschlossener Lehrerwohnung und einem großen Schulgarten, die Lehmbaustelle mit Lehmgrube und Tisch zum Ziegelschlagen sowie der „Lebende Bauernhof“ mit verschiedenen Nutztierrassen Anziehungspunkte für Groß und Klein.
Haus- und Nutztiere wie Ziegen, Schweine, Hühner, Kaninchen, Gänse, Schafe und die zwei Esel Gusti und Pepino bewohnen den „Lebenden Bauernhof“. Die Gehege des Bauernhofes ermöglichen den Besucher:innen mit Tieren hautnah in Kontakt zu kommen – insbesondere die Ziegen freuen sich über Streicheleinheiten. Rückzugsbereiche gestatten den Tieren, sich bei Bedarf in die Ruhezonen zurückzuziehen. Die Tiere leben ganzjährig im Museumsdorf.
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Eine Lehmbauausstellung zeigt verschiedene Lehmbautechniken sowie ihre kulturhistorische und klimatechnische Bedeutung. Im Mittelpunkt der Präsentation steht dabei ein 200 Jahre altes Stück Lehmwand, das als Ganzteil mit Lehmziegeln, Lehmputz und Kalkanstrich übertragen wurde. Rund um dieses bemerkenswerte Stück Baugeschichte thematisiert die Ausstellung vor allem historische Lehmbautechniken sowie ihre kulturhistorische und klimatechnische Bedeutung – auch in Hinblick auf zukünftiges ressourcen- und energiesparendes Bauen. Eine Lehmbaustelle mit Lehmgrube und Tisch zum Ziegelschlagen dient zum praktischen Kennenlernen des Bauens mit Lehm. Der Lehm wird direkt an der Baustelle gewonnen und das „Lehmwuzeln“ kann im Juli und August jeden Montag und Mittwoch bis Freitag selbst ausprobiert werden. Während der gesamten Saison können Beispiele verschiedener Lehmbautechniken besichtigt werden.
Bauernleben im Wandel – Von der Grundherrschaft zur modernen Agrarpolitik im Wultendorfer Hof: In insgesamt sieben Themenbereichen wird die Entwicklung der niederösterreichischen Landwirtschaft zwischen Grundherrschaft, Stadt und Markt von 1848 bis heute behandelt. Ein historisches Highlight ist das originale Arbeitszimmer von Leopold Figl. Zahlreiche Interview- und Filmausschnitte knüpfen Querverbindungen zu heute.
Schulausstellung in der Volksschule von Gaiselberg: In der Volksschule aus Gaiselberg ist neben den Klassenzimmern und der Lehrerwohnung eine kleine Ausstellung eingerichtet. Zu besichtigen ist eine Auswahl an verschiedenen Unterrichtsmaterialien, „schulischen“ Textilien, Schulbüchern und Wandtafeln. Ein Bereich ist dem aus dem Weinviertel stammenden Schulbuchautor und Schulhistoriker Ludwig Boyer gewidmet. Des Weiteren werden das breite Aufgabenfeld, der Schulalltag und die soziale Stellung eines Dorflehrers im 19. Jahrhundert thematisiert.
Kummet-Ausstellung im Drösinger Hof: Kummets dienen der Zugkraftverteilung beim Einspannen eines Pferdes oder anderen Zugtieren. Zu sehen sind prachtvolle Kummets für adelige oder bürgerliche Kutschen und Schlitten, aber auch einfachere Stücke für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Als Ergänzung sind auch einige Schlitten aus adeligem Besitz ausgestellt.
Evangelisch im Weinviertel in der "Lutherischen Kapelle": Die Dokumentation zeigt – ausgehend von Martin Luthers Thesenanschlag 1517 – die Geschichte und Gegenwart der Evangelischen im Weinviertel. Die Ausstellung wurde 2017 anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums neu konzipiert und gestaltet. Ausgestellt sind Bilder, Andachtsbücher und Bibeln sowie Gesangsbücher aus vier Jahrhunderten.
Die Täufer im Weinviertel im Kleinhäusler-Haus aus Wilfersdorf: Die Dauerausstellung thematisiert die Geschichte der Täufer bzw. Hutterer von ihren Anfängen bis zu den Freikirchen der Gegenwart. Mitglieder dieser reformatorischen Religionsbewegung siedelten sich um 1528 in den Liechtensteinschen Besitzungen in Südmähren und dem angrenzenden Weinviertel an.
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