Das Dikti-Gebirge (Kako Kephali) ist ein Bergstock im Osten von Kreta, Griechenland. So wie der Ida, galt auch der Dikti als Geburtsstätte des Zeus. Höchster Gipfel: Psari Madara, 2148 Meter, auch Spathi (Schwert) oder Parathíri (Fenster) genannt. Die Bezeichnung Dikti erhielt der Berg erst nach 1900, als man in Psichro die Diktäische Grotte, in der Zeus geboren sein soll, erforschte. Die Bauern der Lassithi-Hochebene nennen ihn jedoch Kako Kephali (Schlechter Kopf).
Der Name dieses Gebirgszuges steht in Verbindung mit einer in Kreta heimischen Göttin Britomartis, deren Beiname Diktynna (gr. diktyon – Netz) war. Nach einer Sage, die uns der alexandrinische Gelehrte und Dichter Kallimachos (um 250 v. Chr.) überliefert hat, war Britomartis eine Nymphe in der bedeutenden Stadt Gortyn im Süden Kretas. König Minos hatte sich in sie verliebt und verfolgte sie neun Monate durch die Berge Kretas, bis sie sich schließlich, um seinen Nachstellungen zu entgehen, von einem hohen Felsen ins Meer stürzte. Dabei geriet sie in die Netze von Fischern und wurde so gerettet. Aus diesem Grund erhielt sie auch den Beinamen Diktynna.
Diese Geschichte hat auch Pausanias übernommen und erzählt, dass Britomartis von Zeus und Karme, der Tochter des Euboulos entsprossen und von Artemis zur Göttin gemacht worden sei. Man habe sie nicht nur in Kreta verehrt, sondern auch auf Aigina, wo sie den Beinamen Aphaia hatte. Auf dem Weg zum Berg des panhellenischen Zeus habe sie ein Heiligtum besessen.
Aber Diktynna war nicht nur Berggöttin, sondern auch Göttin der kretischen Fischer, die im Westen der Insel mit einer Mondgöttin, Artemis oder Hekate gleichgesetzt wurde. Paul Faure hat darauf hingewiesen, dass schon in minoischer Zeit die Fischer lieber des Nachts und bei Mondschein aufs Meer hinausfuhren und es daher nicht erstaunlich sei, wenn Diktynna, die Göttin der Fischer, in der späteren Mythologie mit einer Göttin der Nacht, eben Hekate oder Artemis, gleichgesetzt wurde.
Von den Eteokretern (die "echten" Kreter) wurde das Gebirge als Geburtsort ihres Sonnengottes angesehen, der je nach Gegend verschiedene Namen trug. So hieß er z.B. in Phaistos Talos, in Gortyn Atymnos, im Asterousia-Gebirge Skylios usw. Später ersetzten die vom Festland eingewanderten Griechen alle diese Namen durch ihre zentrale Gottheit Zeus und erzählten, er sei auf dem heiligen Berg Diktos oder Dikte geboren und erzogen worden. Deshalb habe er im Land der Eteokreter den Beinamen Diktaios bekommen.
Im Osten Kretas schworen die Menschen also beim Zeus Diktaios, im Westen beim Zeus Tallaios. Gerade in letzterem Beinamen stellt sich Zeus als Berggott vor, bedeutet doch die Silbe "tal", "tar" oder "taur" soviel wie Berg mit Schluchten oder die Schlucht selbst.
Die zentrale Kultstätte lag im Dikti-Gebirge und nicht im äußersten Osten der Insel Kreta. Es handelte sich auch nicht um einen Tempel oder um ein Höhenheiligtum, sondern um eine Höhle, die Diktäische Höhle, die Höhle von Psichro am Südrand der Lassithi-Hochebene.
Um zur Höhle zu gelangen, überquert man die Lassithi-Hochebene, bis man die Ortschaft Psichro erreicht. Es ist noch ein ganz nettes Dorf geblieben, trotz des Touristenrummels, der einem 50 Meter oberhalb des Ortes so recht zu Bewusstsein kommt. Hier kann man, um sich den Aufstieg zur Dikteo Andro zu ersparen, Maultiere mieten.
Nach kurzer Wartezeit vor dem Höhleneingang, wo es gilt, seinen Obolus zu entrichten, beginnt man den Gang in die Eingeweide der Erde. Der Eingang zur Höhle und der Abstieg in die schwarze Tiefe, gleichsam in den Bauch der Erde, sind beeindruckend. Kein Wunder, dass schon die Minoer hierher pilgerten, und hier eine göttliche Wohnung vermuteten und die Tropfsteine als heilig verehrten.
Als die ersten griechischen Eroberer, die Achäer, nach Kreta kamen und ihnen später (ca. 1000 v.Chr.) die Dorier folgten, änderten sich zwar die Namen der Götter, doch die Kultstätten, wie die Höhlen am Ida und am Dikti waren weiterhin Mittelpunkte der Verehrung. Es wird wohl ähnlich gewesen sein wie zu jener Zeit, da die Minoer die heiligen Grotten von den Menschen der Steinzeit übernommen haben, die ihrerseits die Höhle als Sitz einer Göttin der Fruchtbarkeit angesehen und aufgesucht haben.
Es dürfte den alten Griechen nicht so wichtig gewesen sein, wo nun Zeus eigentlich wirklich geboren wurde. Auch die alten Schriftsteller waren da nicht einer Meinung. So wurde er einmal am messenischen Ithome, dann wieder in Kreta am Ida und ein anderesmal wieder am Dikti geboren. Wichtig war wohl das Höhlenerlebnis und das ist sicherlich in der Grotte am Ida ähnlich beeindruckend wie am Dikti.
Will man die höchsten Gipfel des Dikti-Gebirges besteigen, so bietet sich dazu als Ausgangspunkt die Lassithi-Hochebene an, die man mit dem Auto von Iraklion (Abzweigung von der Schnellstraße bei Tigáni) oder von Neapolis aus erreicht. Die etwa 40 Quadratkilometer große Hochebene zählt zu den am schönsten bewirtschafteten Flächen der Insel. Die malerischen, mit weißen Segeln bespannten Windmühlen, die das Grundwasser auf die Felder pumpten, gehören der Vergangenheit an, sie existieren heute fast nur mehr als verrostete Gestänge. Die Motorpumpe hat ihren Siegeszug angetreten.
Ausgangspunkt für die Besteigung der Nordflanke des Gebirges ist die Ortschaft Agios Geórgios, von der auch eine unbefestigte Straße auf die Alm Limnákaro in ca. 1200 Meter Höhe führt. Von hier gibt es zwar keinen Pfad, aber doch hin und wieder im Geröllbereich weiter oben gelbe und rote Markierungspunkte. Nach einer Rast bei einer aus dem Geröll munter sprudelnden Quelle ist noch ein Steilstück zu bewältigen, bevor man den Sattel zwischen Dikti und Afendis Christos in ca. 1900 Meter Seehöhe erreicht.
Will man das Gebirge nach Süden überschreiten, folgt man dem Pfad, der zur Alm Selákano hinunterführt. Will man jedoch den Hauptgipfel erklimmen, steigt man in Richtung Osten weglos weiter. Bald steht man oben in 2148 Meter am Psari Madara und genießt die Aussicht zum Ida im Westen und zum Lazaros (2085 Meter) im Osten, der in einer halben Stunde leicht erreicht wird.
Eine weitere Überquerung des Dikti-Gebirges bietet sich auch von Süd nach Nord an. Der Ausgangspunkt stellt das Bergdorf Áno Viános dar, die Bezirkshauptstadt des gleichnamigen Kreises. Auf diesem Weg kann der Gipfel des Afendis Christos (2141 Meter) bestiegen werden. Endpunkt der Wanderung ist die Lassithi-Hochebene.
Für beide Überschreitungen ist mit jeweils 8 bis 10 Stunden Gehzeit zu rechnen. Schutzhütten gibt es keine. Auf dem Afendis Christos bietet die Gipfelkapelle eine Notunterkunft.
Der Besuch dieses einsamen und nur von wenigen Wanderern aufgesuchten Gebirgsstockes ist überaus lohnend und sei allen jenen empfohlen, die den alten Göttern nahe sein wollen. Sie sind nicht tot für den, der bereit ist, Opfer zu bringen, und der die Mühsal des langen Auf- und Abstiegs auf sich nimmt.
Quelle: Manuskript K. Gratzl (gekürzt), Mythos Berg - Lexikon bedeutender Berge aus Mythologie, Kulturgeschichte und Religion", bestellbare beim Verlag Brüder Hollinek: www.hollinek.at.
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