Der Mont Bégo ist ein Berg der Alpes Maritimes (Seealpen) ca. 50 Kilometer Luftlinie nördlich von Nizza. Mit etwa 35.000 einzelnen Punzungen neben dem Valcamonica die bedeutendste Felsbildfundstätte in den Alpen. Die Bilder finden sich in einer Höhe von 2300 bis 2500 Meter. Höhe des Gipfels: 2872 Meter. Der Mont Bégo – in der älteren Literatur spricht man auch von Monte Bego, da der Berg einst zum italienischen Staatsgebiet gehörte und erst 1947 französisch wurde – ist eigentlich kein markanter Berg, der durch seine Form die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen haben konnte.
Dennoch wurden er und die ihn umgebenden Täler von den Menschen der Bronzezeit als etwas Besonderes angesehen, sonst wären sie wohl nicht in Höhen bis zu 2500 Metern vorgedrungen, um dort die Bilder, von Tieren, Häusern (Feldern), Waffen und anthropomorphen Gesichtern in den Stein zu punzen. Es handelt sich um ein Gebiet, das aufgrund der Witterungsverhältnisse – die Bilder liegen acht Monate unter Schnee begraben – unbewohnbar war und in dem man sich nur vorübergehend aufhalten konnte. Dass es sich um eine Ehrfurcht gebietende Gegend handeln musste, zeigen auch noch die heutigen Namen wie Val d'Inferno, Cima di Diavolo oder Valmasca (was soviel wie "Tal der Zauberin" bedeutet).
Neben der Vermutung, dass es auf dem Berg selbst ein Heiligtum gegeben hat, zu dem die Menschen pilgerten, ist auch nicht außer Betracht zu lassen, da der von den Gletschern glatt polierte Sandstein am Mont Bégo ebenso wie im Valcamonica eine Herausforderung für den prähistorischen Menschen war, gerade hier die ihn bewegenden Themen, Anrufungen an die Gottheit auszudrücken. Man hat die Steine mit Schreibtafeln verglichen, die einer Aufforderung gleichkamen, die eigenen Vorstellungen in Form von Botschaften weiterzugeben, ähnlich den Zeichenfelsen, die an hervorstechenden Landmarken dazu benützt wurden, um eine Nachricht zu hinterlassen.
Es dürfte nicht so sehr der Berggipfel gewesen sein, der die Menschen der Bronzezeit (Herbert Kühn nimmt für dieses Gebiet den Zeitraum 2000 v. Chr. bis zu Christi Geburt an) hierher gelockt hat, sondern die Abgeschiedenheit, in der man sich die Gottheit nahe den Wolken gedacht hat. Vielleicht lässt sich der Ort auch erklären, dass man hier das Wirken numinoser Kräfte angenommen hat, wo man ungestört Zwiesprache mit der Gottheit halten konnte, wo man durch Punzierung hierfür geeigneter Felsflächen jene magischen Bilder anbringen konnte, die eine Botschaft oder Bitte an die Gottheit zum Ausdruck bringen sollten. Es sind Bilder aus einer Zeit, in der die Menschheit bereits von der konsumierenden zur produzierenden Wirtschaftsform, also von der Jagd zu Viehzucht und Ackerbau übergegangen war. Das kam einer Revolution gleich und zeigte sich in den Bildern.
Offenbar um den Bildern ihren magischen Charakter zu rauben, wurden in späterer Zeit christliche Zeichen neben den anthropomorphen Darstellungen der Bronzezeit angebracht: Das Zeichen des Kreuzes als Symbol der Überwindung des Heidentums und des alten Glaubens. Das führt auch zu der Frage, welches Volk hier am Mont Bégo seine magischen, religiösen und wirtschaftlichen Vorstellungen in Stein verewigt hat. Die ältesten Einwohner Südfrankreichs und Norditaliens bezeichnet Herodot als Ligurer (7, 165). Man hat auch am Mont Bégo ligurische Inschriften gefunden. Die Römer hatten ihre liebe Not mit den Ligurern und mussten harte Kämpfe mit ihnen ausfechten. Römische Legionen, die in der Gegend stationiert waren, erhielten ihren Namen. Augustus benannte die neunte Legion nach ihnen und Diokletian gab später der elften Legion den Beinamen "die ligurische".
In den Jahren 1927 bis 1942 wurde Carlo Conti von der Archäologischen Aufsichtsbehörde von Piemont beauftragt, die Felsbilder zu kartieren und zu katalogisieren. Es waren an die 35.000 Einzelbilder. Darüber hinaus gelang es ihm, im "Gias del Ciari" (Wohnung der Mäuse) Keramik aus neolithischer Zeit bis zur Bronzezeit auszugraben.
Der Mont Bégo liegt abseits der Touristenströme und ist kaum in den Reiseführern erwähnt. Das ist gut so, denn es wäre schrecklich, würde der Massentourismus unserer Tage auch jenes heilige Gebiet entweihen, das durch Jahrtausende den Menschen wichtig war und ihnen das Gefühl gab, der Gottheit nahe zu sein. So ist der Mont Bégo ein Wallfahrtsort im guten Sinn geblieben, denn ihn zu erreichen, ist mit Mühen verbunden. Ausgangspunkt für den Besuch des wichtigsten Fundplatzes von Felsbildern am Mont Bégo, des "Val des Merveilles" ("Das Tal der Wunder"), ist Saint Dalmas-de-Tende in der Nähe des Col de Tende. Von Saint Dalmas fährt man auf einer Asphaltstraße bis zum Lac des Mesces. Von dort gelangt man durch zu Fuß in etwa 2 bis 3 Stunden zum Refuge des Merveilles in 2111 Meter Höhe, das an den Ufern des Lac Long Supérieur liegt.
Aber es ist noch ein zweites Tal am Mont Bégo von Bedeutung, nämlich Fontanalba, was soviel wie "Weiße Quelle" heißt. Dieses Tal und auch die übrigen Fundstätten liegen heute im Nationalpark Mercantour. Das Gebiet der Felszeichnungen wird heutzutage von Nationalparkwächtern geschützt. In den beiden Tälern, im Valle de Merveilles wie im Fontanalba sind nur bestimmte Wegrouten für die Öffentlichkeit zugänglich. Um die Felsbilder bewundern zu können, sollte sich der Besucher einer geführten Tour anschließen, die jedoch nur im Hochsommer stattfinden.
Wenn auch kein Massentourismus bisher im Mont-Bégo-Gebiet feststellbar ist, sind dennoch strenge Regeln für die Besucher aufgestellt worden. Veranlasst durch den Parc National Mercantour wurden besonders geschützte Bereiche geschaffen, durch die man führerlos nur auf den angegebenen Routen wandern darf. Es ist streng untersagt, diese Routen zu verlassen.
Quelle: Manuskript K. Gratzl, Mythos Berg - Lexikon bedeutender Bergeaus Mythologie, Kulturgeschichte und Religion", erhältlich im gut sortierten Buchhandel oder bei Amazon (Klick auf den Okay-Button):
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