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Berührungen

Praktisch alle Lebewesen unserer Erde definieren sich und andere über Kommunikationsformen aller Art. Berührungen und taktile Empfindungen nehmen dabei einen Sonderplatz ein. Ohne Berührungsreize ginge alles verloren: unser Empfinden für den eigenen Körper, unser Selbstbewusstsein, unser Selbstwert und die Antworten auf die wichtigste Frage im Leben: Wer bin ich? Vom ersten Lebenstag an erfahren Babys und Kleinkinder Berührungen. Würde man ihnen diese vorenthalten, sie würden binnen weniger Wochen krank werden und als letzte Konsequenz sterben. Auch bei Erwachsenen kann plötzlicher, über einen längeren Zeitraum anhaltender Berührungsentzug zu einem "Verlust der eigenen Grenzen" führen. Man weiß nicht mehr, wer man ist; das Bild von einem selbst verblasst. Die fundamentale Erkenntnis des Philosophen René Descartes – cogito, ergo sum / Ich denke, also bin ich – erfährt eine Erweiterung: "Ich werde berührt, also bin ich."

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Foto © Andreas Hollinek

Leider bringt es unser modernes Leben mit sich, dass viele von uns zumindest in manchen Phasen ihres Lebens an Zuwendungs- und Berührungsdefiziten leiden. Zu vielfältig sind die Ablenkungen, zu stark der Fokus auf sprachlichen bzw. digitalisierten Kontakt. Berührungslosigkeit mündet auch im Erwachsenenalter in Unsicherheit, Angstzuständen, stärkerem Schmerzempfinden sowie weiteren psychischen Unbefindlichkeitszuständen und Krankheiten. Es kann durchaus vorkommen, dass sich Menschen mit Berührungsdefizit unbewusst in eine Krankheit flüchten, um auf diese Weise mehr Zuwendung und Körperkontakt zu bekommen. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, in Phasen von geringer Berührungshäufigkeit bzw. Berührungsqualität nach Hilfe zu suchen.

Jeder Mensch hat seine eigene, völlig einzigartige Berührungsgeschichte. Je älter ein Mensch ist, desto umfangreicher ist das "kartografische Berührungsbuch" und desto komplexer sind die Zusammenhänge zwischen äußeren Einflüssen und innerer Selbstwahrnehmung. Würde man die Anzahl an Berührungen pro Tag in einen Raster eintragen, sind je nach Lebensabschnitt deutliche Schwankungsunterschiede feststellbar. Einen Abfall der Berührungsfrequenz gibt es beispielsweise nach dem Abstillen, wenn man gelernt hat, eigenständig die Toilette zu benutzen, bei Eintritt in die Pubertät, bei ansteckender Krankheit, Partnerschaftsproblemen, Scheidung, Trennung vom Partner oder Ableben des Partners.

Anstiege gibt es zum Beispiel bei Besuch eines Tanzkurses oder von Tanzveranstaltungen, in gut funktionierenden Partnerschaften (vor allem in den ersten Monaten einer neuen Partnerschaft) und im Greisenalter, wenn man wegen Immobilität, Gebrechlichkeit oder Krankheit die eigene Körperpflege nicht mehr übernehmen kann. Wie oben bereits erwähnt, verändert oder erweitert jede Berührung unser eigenes Abbild im Gehirn. Durch gezielte therapeutische Berührungen kann dieses Abbild so modifiziert werden, dass man selbst wieder gut damit leben kann.

Und eine positive Sicht der eigenen Körperlichkeit und Persönlichkeit ist Grundvoraussetzung dafür, dass man auch anderen Menschen Achtung, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe zufließen lassen kann. Solche Umstrukturierungen finden im Normalfall über eine längere Zeitperiode hinweg statt, in Einzelfällen kann dies jedoch auch spontan passieren. Leider oder gottlob bleiben die alten Denk- und Empfindungsmuster als "Sicherheitskopie" gespeichert, so dass fast immer die Möglichkeit besteht, alte Denkweisen in abgewandelter Weise neu zu aktivieren. Wärme, Körperkontakt, sanftes Streicheln und Stimulieren regen die natürliche Oxytocinproduktion im Körper an ("Kuschelhormon"). Dieses im Hypothalamus des Gehirns produzierte Peptidhormon hat nicht nur eine wichtige Bedeutung bei der Geburt und während der Stillzeit (es steigert den Milchfluss), es wirkt ganz allgemein auf die Psyche. So steigerte es beispielsweise das Vertrauen ("Vertrauenshormon"), löst übertriebene Ängste auf und beruhigt. Gleichzeitig steigert es aber auch die sexuelle Lust ("Orgasmushormon") und wirkt positiv auf das Sozialverhalten.

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