Digital Looser

Autor: Andreas Hollinek

Als mein Zertifikat bei TrustTrust ausgelaufen war, konnte ich nicht ahnen, dass nun alles aus war. Erst von Tag zu Tag, von Login zu Login, von Benutzernamen zu Benutzernamen, von Passwort zu Passwort, von Widerrufspasswort zu Widerrufspasswort wurde mir klar: Ich bin verloren. Ohne Zertifikat keine Anmeldung bei TrustTrust, ohne Anmeldung bei TrustTrust kein Zugang zu Handysign, ohne Handysign keine Schriftstücke von der Sozialversicherung, kein Finanz online, kein Genesungszertifikat und keine digitalen Amtswege. Bad luck.

Die erste Woche jedenfalls verbrachte ich damit, in Erfahrung zu bringen, wo und wie ich mein Zertifikat bei TrustTrust erneuern könnte. Dass das einfach über Handysign, Finanz online, das digitale Postamt oder ID Österreich ginge, nutzte mir nichts – das für all diese Zugänge notwendige Zertifikat war ja abgelaufen. Auch die auf europäischer Ebene ins Leben (!) gerufene EuropeanApp hätte mir möglicherweise weiterhelfen können.

In Woche zwei schaffte ich immerhin, den Anmeldeprozess für Handysign in Gang zu bringen. Die Warnung, man könne einen einmal gewählten Benutzernamen nie wieder ändern, ließ mich erschaudern. Aber weit kam ich nicht. Nur bis zum Feld für die E-Mail. Ein Warnhinweis poppte auf um mir zu sagen, dass meine E-Mail bereits vergeben sei. Von mir selbst offenbar. Pech. Hier war kein Weiterkommen. Die Überlegung, mir eine neue E-Mail zuzulegen, verwarf ich.

Foto © Andreas Hollinek

Die aufkeimende Hoffnung, dass man bei einer ID-Österreich-Servicestelle einen Termin ausmachen könne, wurde dadurch zerstört, dass in der Maske mit den Dropdownlisten für Bundesland und Postleitzahl zwar mein Bundesland, nicht jedoch die Postleitzahl meines Wohnortes für den Hauptwohnsitz aufschien. 3012 gab es nicht. Daher auch keine ID-Österreich-Servicestelle für mich.

Zum Glück hatte ich eine Bekannt bei einer ID-Österreich-Servicestelle in einem benachbarten Bundesland. Ich rief sie privat an, um sie um Rat zu bitten. "Das geht leicht. Ich ruf' dich morgen an, was du machen musst." Sie rief an, hatte jedoch schlechte Nachrichten für mich: "Das geht doch nicht so leicht. Das Problem ist, dass ein du in deinem Reisepass einen Mittelnamen hast. Filipp. Bei der Migration der Datensätze von TrustTrust zu ID Österreich gab es Ungereimtheiten. Daher wurde dein Account als Risk Account eingestuft und dir die Zertifikatsgültigkeitsdauer verkürzt. Offenbar gab es auch Fehler im Amt. Einmal hat da jemand bei dir Philipp statt Filipp eingetragen, dann zweimal Phillip, also mit Doppel-LL und einem P. In anderen Dokumenten wiederum feht das Filipp komplett. Das macht die Sache kompliziert, da nur authorisierte Beamte nach persönlicher Vorsprache die Sätze vereinheitlichen und den Risk-Account-Status ändern können. Sorry. Und wie geht's dir sonst so?". "Eh gut", log ich und verabschiedete mich von ihr. Für immer.

Dass es nach meinem freiwilligen Ausscheiden aus diesem Leben für meine Erben schwer werden würde, alle Accounts zu schließen, Mitgliedschaften zu beenden und Prepaid-Guthaben zurückzubekommen, war mir egal. Weniger der Gedanke, dass ja mein Testament mittels Notariatskammeraccount elektronisch gespeichert war. Gut gesichert mit Benutzername, Passwort, Widerrufspasswort und Partner ID. Ein Zugang dazu war jedoch nur möglich, wenn man über die CareBeforeApp vorher eine Freigabe bewirkte. Wenn ihr also 'was erben wollt, macht euch schlau, Leute.

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Siehe auch

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