"Urlaub" ist eine Erfindung industriell orientierter Gesellschaften. Wann und wie lange man sich erholen darf, wird durch Kollektivverträge, den Arbeitgeber und das Arbeitsaufkommen diktiert. Ausscheren aus diesen Vorgaben können sich nur wenige leisten. Selbst wenn man dann im Ruhestand ist und eigentlich jede Zeit der Welt hätte, erzeugt diese Fokussierung bei den meisten Menschen eine enorm hohe Erwartungshaltung. Sommer- und Winterurlaub müssen möglichst perfekt sein: Wetter, Unterkunft, Essen, Freizeitangebot und Liebesleben. Jede fehlende Komponente bringt die Gefahr mit sich, just jene Zeit zu vergällen, auf die man sich viele Wochen schon so gefreut hat.
Erschwerender Faktor: Der mitreisende Partner hat seine ganz individuellen Erwartungen, und die Optimalvariante, den größten gemeinsamen Nenner zu finden, verlangt nach einem hohen Maß an Problembewusstsein, Sensibilität für den anderen, Kompromissbereitschaft und Toleranz.
Hier einige Vorschläge, die die Chancen erhöhen sollen, dass Ihre Urlaubsreise wirklich zu einer Zeit wird, aus der Sie dann für die Monate danach Vitalität, seelische Ausgeglichenheit, Schaffenskraft und Kreativität schöpfen:
Sprechen Sie mit Ihrem Partner ganz bewusst über die eigenen persönlichen Erwartungen, die man in kommenden Urlaubt setzt. Lassen Sie dabei keinen Bereich aus. Suchen Sie bei der Abstimmung der Interessen den "größten gemeinsamen Nenner". Legen Sie ein Alternativprogramm fest, falls die Umstände das Erfüllen Ihrer Bedürfnisse verhindern. Nehmen Sie diesbezüglich eine gehörige Portion Flexibilität mit auf die Reise mit.
Finden Sie für sich heraus, wie lange Sie den wirklich Urlaub machen möchten. Ein zu kurzer Urlaub kann dazu führen, dass man nicht in die echte Erholungsphase kommt, ein zu langer Urlaub wiederum kann zu Unruhe und Stress führen und alles Positive zerstören, was in der Zeit davor gewesen ist.
Machen Sie sich Ihre ganz persönliche Urlaubs-Checkliste (kopieren Sie die Tabelle aus unserer Seite und fügen Sie sie in ein Word-Dokument ein; modifizieren Sie anschließend die Urlaubs-Checkliste nach Ihrem persönlichen Bedarf).
Vermeiden Sie Extreme. Übertriebe Sparhaltungen und Verarmungsängste können den Erholungswert ebenso mindern wie Urlaubsprasserei, die man dann später nachhaltig büßt. Finden Sie auch diesbezüglich mit Ihren Reisebegleitern Kompromisse.
Erkundigen Sie sich vor dem Urlaub genau, wie das Wetter am Urlaubsort a) normalerweise und b) im schlechtesten Fall ist. Stellen Sie sich auf beides ein und freuen Sie sich, wenn Variante c) passiert: besser als normal. Vermeiden Sie Reiseziele, von denen Sie mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen können, dass Ihnen das Wetter dort nicht gut tut (feucht-kaltes Wetter bei Rheuma, feucht-heißes Klima bei Herz-Kreislaufbeschwerden usw.). Bei Schlechtwetterperioden nutzen Sie das In-door-Freizeitangebot vor Ort bzw. sorgen Sie vor, dass Sie diesbezüglich autark sind (siehe unten).
Suchen Sie sich eine Unterkunft, in der Sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl fühlen werden. Versuchen Sie bei der Auswahl tunlichst jene Faktoren auszuschließen, die Sie am meisten stören werden (z.B. Lärm, Temperatur, Hygiene, Aussicht, Gerüche, Service). Ist Schnarchen des Partners zuhause ein Problem, sollte dies auch für die Urlaubsunterkunft bedacht werden.
Wenn Sie leicht Probleme mit der Verdauung bekommen (Verstopfung, Reisedurchfall, Blähungen, Sodbrennen usw.), verzichten Sie auf Halb- oder Vollpension.
Stellen Sie sicher, dass das Freizeitangebot in der Umgebung Ihres Urlaubsortes Ihren Interessen bzw. den Interessen Ihres Reisepartners entspricht. Bleiben Sie zu einem Gutteil autark, d.h. nehmen Sie Dinge mit, mit denen Sie sich im Urlaub beschäftigen können: Bücher und Zeitschriften; Foto- und Filmkameras; Taucherbrille, Schnorchel und Flossen; Angelzeug; Laptop; Malfarben; Spiele usw.). Dies kann von unschätzbarem Vorteil sein, wenn das Freizeitprogramm vor Ort – oder auch das Wetter (siehe oben) – nicht "mitspielt".
Im Urlaub verstärken sich Erwartungshaltungen, die auch im Alltag Gültigkeit haben: Frauen wollen umworben werden, sich angeregt unterhalten, einen guten Schuss Romantik, sich Zeit nehmen dürfen. Männer wollen entdecken, Reisetrophäen ergattern und den besten Sex aller Zeiten; dann erst Reden. Möglicherweise verhält es sich bei Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin ganz anders. Finden Sie es heraus, und wenn dies nicht gelingt, fragen Sie nach den Bedürfnissen. Machen Sie es dem Partner leichter: Äußern Sie (unter Rücksichtnahme auf die Gefühle des Partners) Ihre persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse.
"Wichtig ist es vor allem, freie Zeit für sich zu finden und die Kontrolle über die Zeit zu haben, die eigenen Bedürfnisse im Urlaub zu erkennen und im Rahmen der Möglichkeiten zu erfüllen", sagt Gerhard Blasche, Urlaubsforscher vom Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien.
Die gängige Meinung, dass Urlaube der beste Nährboden für partnerschaftliche Konflikte ist, lässt sich in aktuellen Studien nicht bestätigen. "Ganz im Gegenteil, Urlaub ist eher beziehungsfördernd, weil man mehr Zeit füreinander hat", so Blasche.
Aus psychohygienischen Gründen rät der Forscher dazu, das Mobiltelefon und den Laptop im Urlaub nicht oder nur wenig einzuschalten. "Das mentale Abschaltenkönnen ist der entscheidende Punkt für einen erfolgreichen Urlaub", so sein Tipp. Das gilt übrigens nicht nur für den Urlaub: "Ein großer deutscher Automobilkonzern hat im vergangenen Jahr eine Betriebsvereinbarung durchgesetzt, mit der die rund 1100 Firmen-Handys 30 Minuten nach Ende der Gleitzeit vom Server getrennt werden und ein Versenden von dienstlichen E-Mails nicht mehr möglich ist. Das macht schon Sinn. Denn wenn ich immer auf Abruf bin, behindert das die Erholung."
Der optimale Erholungseffekt stellt sich übrigens, so Blasche, nach sieben bis zehn Tagen ein, danach sei kein Erholungszuwachs mehr zu erwarten. Daher sein Tipp: lieber dreimal eine Woche auf Urlaub fahren als einmal drei Wochen.
Vielleicht der wichtigste Erfolgsfaktor für nachhaltige Erholungseffekte ist das Sammeln schöner, erinnerungswürdiger Momente während des Urlaubs. "Wir neigen unbewusst außerdem dazu, diese Ereignisse später ein bisschen zu verklären – dadurch wird das Erlebte noch schöner wahrgenommen als es im Urlaub wirklich war." Diese Ereignisse – sei es ein gemeinsam erlebter Sonnenuntergang, eine beeindruckende Bergwanderung, Sehenswürdigkeiten aller Art, ein tolles Abendessen oder ein perfekter Tag am Strand – kann man später ganz leicht immer wieder abrufen und daraus Energie schöpfen. Blasche: "Unser Gehirn neigt außerdem dazu, Urlaubsereignisse intensiver im Gedächtnis zu speichern als immer wiederkehrende Ereignisse im Berufsalltag."
Noch intensiver wird es, wenn die schönen Momente gemeinsam mit anderen erlebt wurden. "Erst im Austausch mit anderen entsteht aus dem Erlebten eine gemeinsame Realität, in der wir uns vom anderen bestätigen lassen, dass es sich um einen schönen Moment gehandelt hat. Gemeinsame Erlebnisse und die gemeinsame Erinnerung daran verstärken den positiven Effekt."
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